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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Riefenstahl, Leni



Hartmut Andryczuk
10.01.2001, 00:19
L e n i R i e f e n s t a h l

Es muss im Winter 1997 oder 98 gewesen sein, als ich mit einem Freund, der passionierter Amateurboxer ist, die Ausstellungseröffnung von Leni Riefenstahl in Potsdam besuchte. Frau Riefenstahl war auch dort, umringt von jungen Mode- und Designstudenten, die sich natürlich bemühten, keine unhöflichen Fragen zu der Vergangenheit der grossen Künstlerin zu stellen. Man hatte dort einen Brief von Jacques Cocteau an Leni ausgestellt. Natürlich war auch alles andere zu sehen: die Filme 'Triumpf des Willens', 'Das blaue Licht' und das Olympia-Video von Rammstein. Nach drei Stunden leerte sich allmählich die Ausstellung - bis auf die verstreuten Gestalten, die selbstvergessen an den zur Verfügung gestellten türkisfarbenen iMacs sassen und sich die Bilder der Ausstellung dort ansahen, die ohnehin wenige Meter weiter hinter ihnen zu sehen waren.

Der Amateurboxer und ich wollten auch gerade aufbrechen, als die Künstlerin unvermittelt zu uns trat und mich ansprach: 'Entschuldigen Sie, aber Sie erinnern mich so sehr an einen vertrauten Freund aus den vierziger Jahren. Sind Sie vielleicht der Sohn von Dr. Reichstein aus München-Haar?'

Tatsächlich kannte ich einen R. Reichstein, der seine Tagebücher in einem Berliner Kleinverlag veröffentlicht und der Sohn eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ist, welcher wiederum aber bereits schon in den späten 70er Jahren verstorben ist. Frau Riefenstahl war sehr berührt von dieser Tatsache und begann nur Positves über diesen Mann zu berichten. Um mehr über diese Beziehung zu erfahren, erfand ich einige Begegnungen mit dem alten Dr. Reichstein, lobte seine Intelligenz, seine Belesenheit, seinen Charme, seine Weltoffenheit und eine beinahe magische Intuition, welche die Seele seines Gegenübers augenblicklich und vollkommen erschloss. Ganz zu schweigen von seiner erotischen Ausstrahlung, die sicher nicht nur auf das andere Geschlecht wirkte.

Meine albernen Erzählungen hatten Erfolg: Frau Riefenstahl erzählte jetzt Genaueres. 'Wissen Sie, auch in meinem Leben gab es schwere Zeiten. 1945/46 war ich eine geächtete Person, mit der niemand mehr etwas zu tun haben wollte. Damals war ich für ein Jahr in der Psychiatrie Haar. Mein Leben hatte keine Aussicht mehr: kein Vermögen, keine Aufträge, keinen Partner. Erst Dr. Reichstein gab mir in unseren Gesprächen wieder Sinn. Er suggerierte mir, dass ich mein zukünftiges Leben ethnischen Minderheiten widmen müsse. Des Nachts halluzinierte ich von athletischen, nackten Kriegern, deren Körper sich ekstatisch unter der heissen Sonne Afrikas bewegten. Letztendlich haben mich diese Körper geheilt.'

Wolfgang Mueller
10.01.2001, 01:59
Der Nacktkellner Reinhard Wilhelmi (siehe Lagerfeld und Schiffer im Kumpelnest 3000) kam gestern mit seiner 95-jährigen Nachbarin in den 'Bierhimmel' und sagte mir: 'Stell dir mal vor, was Frau Reinhold heute zu mir gesagt hat. Auf ihrem Grabstein soll folgendes Gedicht eingemeißelt sein:
'Oh Wandrer steh und weine,
hier liegen meine Gebeine,
ich wünschte mir,
es wären deine.'
Der Hamburger Galerist Andreas Schlüter hat vor etwa drei Jahren eine Fotoausstellung mit Leni Riefenstahl (damals ebenfalls 95 Jahre alt) gemacht und sie ganz arglos gefragt, wohin denn einst ihr umfangreiches Archiv hinkommen solle. Sie war total empört und hat ihm gesagt: 'Was fällt Ihnen ein. Mein Arzt hat mir noch zehn Jahre gegeben!' Andreas Schlüter besorgte mir ein Autogramm von ihr, dass ich dann zusammen mit einem signierten Cher Bono Autogramm von 1979 (auf dem Flohmarkt erstanden) und einem von Bülent Ersoy (von einem türkischen Bekannten ergattert) mit Drähten und Fäden als Mobile verbunden habe. Es ist jetzt eine Art Kunstwerk, heisst 'Incredible women' und war bereits einmal im Living Art Museum in Reykjavik und auf der Berliner Kunstmesse auf dem Stand der Galerie Schlüter zu sehen. Der Klatschkolumnist Martin Schacht war schon mal nahe dran es zu kaufen (es kostet DM 1.800).
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œlfur
(Beitrag wurde von Wolfgang Mueller am 10.01.2001 um 14:30 Uhr bearbeitet.)

tex
10.01.2001, 02:06
Jetzt muesste man nur noch wissen, wer Buelent Ersoy ist

Hartmut Andryczuk
10.01.2001, 12:43
Vielleicht kann ich helfen: Buelent Ersoy ist ein unehelicher Sohn aus der ersten Ehe von Wolfgang Mueller mit Sephir al-Farrag, einer Djin (Elfe) aus Basra. (Siehe auch den Artikel in der 'Neuen Züricher Zeitung' vom 3.11.2000: 'Die Leni Riefenstahl - Gedächtnisspiele in Bagdad. Sephir al-Farrag, die Partyservicekönigin aus Iraks Hauptstadt veranstaltet alljährlich Erinnerungsfeste für die deutsche Künstlerin, welche parallel zu den Festivitäten des 'Tags der Mutter aller Schlachten' stattfinden.'

Wolfgang Mueller
10.01.2001, 15:51
Von einem unehelichen Kind weiß ich zwar nichts. Aber der Name Bülent ist ja auch gar nicht so selten. Er kann sowohl Mädchen- wie Jungenname sein. Und Bülent Ersoy, die am Mobile hängt, ist eine der berühmtesten türkischen Sängerinnen und transsexuell überdies. Jeder Türke kennt sie. Auf den ersten Platten (Vinyl) war sie aber noch eindeutig als ein Mann abgebildet, wenn auch mit gezupften Augenbrauen. Auf den CDs ist sie eine sehr elegante, hübsche Frau. Die Verwandlung lässt sich auf den Covern tatsächlich gut beobachten. Bülent Ersoys Stimme hat sich allerdings trotz der Geschlechtsumwandlung nicht geändert. Sie ist immer noch unglaublich tief. Der türkische Superstar aß mal in einem Restaurant in der Adalbertstraße/Kreuzberg, woraufhin die Straße wegen des Andrangs an türkischen Fans geschlossen werden musste. Alle klebten an den Fenstern. Sie ist ein Super-VIP und wurde schon in der Türkei mal von islamischen Extremisten angeschossen und schwer verletzt. Soweit ich weiß, geht es ihr aber wieder sehr gut.

Hartmut Andryczuk
11.01.2001, 00:26
Lieber Wolfgang, diese wunderbar blumig erzählte Passage erinnert mich an Nyak Rykonavia, jenem trans-eurasischen Superstar, den ich 1992 während eines Transfuturisten-Kongresses zusammen mit Eugen Gomringer (dessen Gedichtband 'das schweigen' zu jenem Zeitpunkt ins Kirgisische übersetzt wurde) in Krasnodar (Krasnodar Region/Schwarzes Meer) kennengelernt habe und die mir inmitten eines Meers wogender Gräser der Art Eriophorum angustifolium offenbarte, dass Leni Riefenstahl seit 1964 beim Fotografieren von tropischen Fischen vermisst wird und alle Ausstellungen von ihr nach dieser Zeit von einem Double eröffnet wurden.

tex
11.01.2001, 02:48
Bitte , liebe Freunde, bleibt doch bei den Tatsachen, das bringt uns doch hier nicht weiter, wogende Graeser haben wir in uns ALLEN, wir wollen Promis, wogend, wankend, schwankend oder fallend.

Hartmut Andryczuk
11.01.2001, 15:00
Geschätzter Moderator, Ryak Nykonawia verfügt zwar über keinen Internet-Anschluss, ist aber dennoch prominent; zumindest in der Region am Schwarzen und Asowhschen Meers (südliches Russland). Die Sache mit den Eriophorum angustifolium war eher symbolisch gemeint; ebenso wie die grandiose Schwarzweissfotografie von Frau Riefenstahl mit dem Titel 'Cunnilingus unter Cumulus', welche die Künstlerin mit ihren 75 Jahre jüngeren Liebhaber in den dort üppig vorhandenen Erölfeldern zeigt, ja nicht unbedingt sexistisch gedeutet werden muss.
Im Übrigen verstehe ich sehr gut, wie jemand, der aussieht wie Andrej Tarkowskij sich wünscht, wie Sharon Tate auszusehen. (Siehe die 'Kerstin-Rubrik').

Hartmut Andryczuk
15.01.2001, 01:23
Ein Freund, der semiprominente Schauspieler Burkhard Heyl, der in deutschen Fernsehproduktionen oft den Obersturmbannführer spielt, sagte mir, dass er Leni Riefenstahl des öfteren beim Metzger getroffen hätte. Diese Frau wäre sehr resolut und nicht bereit, in der Schlange zu stehen. Auf diese Unhöflichkeit hin angesprochen. greinte sie zurück: 'Sie sind ein sehr ungezogener junger Mann'...

vir
10.08.2001, 17:40
Interessant, dass Leni Riefenstahl Post von Jacques Cocteau gekriegt hat und diese noch ausstellt. Und ich Dussel dachte immer, sie wäre eher mit Jean Cousteau befreundet gewesen!

Hartmut Andryczuk
10.08.2001, 19:50
Die ganze Riefenstahl-Geschichte ist Fake; mein Einstieg damals. Ich glaube, die Freundschaft zu einem bekannten Meeresforscher hätte ihr besser getan, als zu einem bekannten französischen Autor, der nun gar nichts mit den Nazis zu tun hatte. (Merkwürdig, diese Verwechslung blieb ein halbes Jahr unkommentiert - und man kann sich eigentlich nur wundern, dass diese Peinlichkeit niemanden auffiel).
Im Sommer traf ich den hier allseits geschätzten Autor Joachim Lottmann, der gerade Albert Speers 'Erinnerungen' las. In den letzten zwei Wochen habe ich dieses Buch gelesen. Es berichtet aus dem 'inner circle' der Nazi-Fühererschaft und ist daher ein sehr eindrucksvolles Dokument. Speer ist mir durch seinen bemüht aufrichtigen Stil nicht sympathischer geworden. Leider entpuppt er sich darin auch als Speichellecker Hitlers. Lottmann (und hier folgt der Bogen) sagte damals, Speer und Riefenstahl wären im ideologischen Sinn keine Nazis gewesen. Das mag sein; aber in jedem Fall waren sie Karrieristen, die das System unterstützt haben. Speer sscheint in dieser Einsicht aufrichtiger zu sein, während Riefenstahl sich total davon distanziert.

anko
18.01.2002, 13:44
in der heutigen ausgabe der FAZ (feuilleton, aufmacherseite) drucken sie die erste folge von jenen rund 150 künstler-portraits ab, die carl zuckmayer während des kriegs für den amerikanischen geheimdienst verfasst hat.

in der einleitung wird auch das portrait von riefenstahl erwähnt; während zuckmayer durchaus viel verständnis gezeigt habe für die verführbarkeit der menschen, läßt er bei riefenstahl keinen zweifel an seiner ablehnenden haltung.

er nennt sie - und als ich das las, mußte ich so laut lachen, dass mich die leute in der ubahn ansahen - Reichsgletscherspalte. sie habe mit einem inszenierten ohnmachtsanfall den versuch unternommen, dem sichtlich angewiderten (zuckmayer) hitler in die arme zu sinken.

Herr Cohn
18.01.2002, 15:50
Bestens. Möge sie lange leben, um das immer schön halb verdrängt zu halten.

Herr Andryczuk, Respekt. Eine große Geschichte und ein allerbester Strang.

DonDahlmann
18.01.2002, 16:49
Hihi - War damals wohl ein running gag. Erinnere mich in diesem Zusammenhang an die Schauspielerin Kristina Söderbaum, die den Beinamen "Reichswasserleiche" hatte, da sie am Ende ihrer Liebesdramen immer im Wasser zu verenden hatte.

Im übrigen erscheint eine neue Leni Biografie im März dieses Jahres von meinem geschätzten Freund Lutz Kinkel.

vir
24.08.2002, 08:26
Dieser Riefenstahlstrang muss auch hoch, allein schon weil in ihm die Worte Nacktkellner und Reichsgletscherspalte vorkommen.

Amara
20.08.2004, 15:21
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